Pressemitteilung
Klimawandel im Oberland: „Kein Anlass zur Entwarnung“
Klimaforscher Prof. Dr. Harald Kunstmann zu Gast bei der ÖDP
Murnau/GAP. Der Alpenraum ist in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen. Dies machte der renommierte Klimaforscher Prof. Dr. Harald Kunstmann bei einer Veranstaltung des ÖDP-Kreisverbands Garmisch-Partenkirchen im Murnauer Kultur- und Tagungszentrum deutlich. Einsparungen beim Ressourcenverbrauch, die Reduzierung der Treibhausgase und Anpassungen auf bevorstehende Klimaänderungen seien unausweichlich.
Die globale Durchschnittstemperatur ist seit dem Jahr 1990 um 0,8 Grad angestiegen – in Europa um 1,2 Grad, im Alpenraum sogar um 2,0 Grad. „Das Oberland ist eine klimasensitive Region“, führte der Naturwissenschaftler, der die Abteilung „Regionale Klimasysteme“ am Institut für Meteorologie und Klimaforschung am KIT in Garmisch-Partenkirchen leitet, in einem kurzweiligen und von zahlreichen Forschungsergebnissen flankierten Vortrag aus.
Wie sich das Klima gerade in unserer Region, speziell im Einzugsgebiet der Ammer, entwickelt, wird derzeit von den Garmischer Forschern u. a. durch umfangreiche neue Klimamessstationen in Graswang, Rottenbuch, Berg bei Huglfing, Fendt bei Peißenberg, am Kolbensattel und am Laber untersucht. Klimasimulationen, die es erlauben, das erwartete zukünftige Klima abzuschätzen, zeigen für die drei Landkreise Garmisch-Partenkirchen, Weilheim – Schongau und Bad Tölz – Wolfratshausen neben einem weiteren Temperaturanstieg bis 1,2°C bis zum Jahr 2050 auch eine Zunahme des Jahresniederschlags von bis zu 15 %. „Auch wenn wir insgesamt mehr und mehr milde Winter erwarten, wird es vereinzelt aber weiterhin auch sehr kalte Winter geben“, so Kunstmann. Das Wetter neige zu mehr Extremen, etwa zu „mehr Starkregen“ – die Mittelwerte verschöben sich, die Variabilität nehme zu. „Klar ist, dass die letzten Reste des Zugspitzgletschers völlig verschwinden werden.“
Zentraler Auslöser für den Klimawandel auf globaler Ebene ist laut Kunstmann insbesondere der drastische Anstieg der Kohlendioxid (CO2)-Konzentration, der zum Zeitpunkt der Industrialisierung noch bei 280 ppm gelegen habe, also bei 280 Molekülen CO2 pro einer Million Luftmoleküle. „Im Jahr 2013 haben wir die Marke von 400 ppm CO2 überschritten – das ist in der jüngeren Erdgeschichte ein historischer Höchststand.“ Zehn der elf global wärmsten Jahre seit Durchführung der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1880 lagen in unserem gerade einmal 14 Jahre dauernden 21. Jahrhundert. Alle ernsthaften Prognosen erwarteten im globalen Mittel einen weiteren Anstieg der Temperaturen. „Der Mensch greift massiv in die Erde und ihre Energiebilanz mit der Sonne“ ein, erklärte Kunstmann. Prognosen, der Forscher spricht genauer von „Projektionen“ und „Szenarien“, seien allerdings weiterhin mit Unsicherheiten behaftet, da die entscheidenden Randbedingungen für die Treibhausgasemissionen, wie Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung und technischer Fortschritt, kaum genau vorherzusehen sind.
In der sich anschließenden intensiven Diskussion spielten vor allem die Landwirtschaft und die Energiepolitik eine große Rolle. „Für den Klimaschutz dürfte eine dezentrale, ökologische Landwirtschaft von großer Wichtigkeit sein“, meinte etwa der Aidlinger Biobauer und ÖDP-Kreisrat Rudolf Kühn. Dass der Landkreis Garmisch-Partenkirchen bei der Produktion regenerativer Energie – trotz des von der ÖDP im Kreistag initiierten Beschlusses einer Energiewende bis 2035 – ideenlos sei, bemängelte der Murnauer Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat Rolf Beuting: „Mir fehlt der sportliche Anspruch, hier wirklich weiterkommen zu wollen.“
Klimaforscher Harald Kunstmann mahnte zu mehr regionalen, aber auch nationalen und internationalen Anstrengungen bei der Reduzierung der Treibhausgase. Gleichzeitig „müssen wir uns unbedingt auf die klimatischen Änderungen anpassen – etwa im Hochwasserschutz, im Tourismus oder in der Landwirtschaft“. Verzicht und Verbrauchsreduzierung, aber auch ein „schlauer Mix der unterschiedlichen Systeme“ seien Ansätze. Er machte aber auch deutlich: „Es gibt keine Patentlösung.“